Wenn der Nebel sich verzieht, kann man die Golden Gate Bridge im Hintergrund sehen. Die dichten, sattgrünen Bäume des Presidio Parks strahlen Ruhe und Frieden aus. Sie umrahmen unscheinbare Gebäude, die an einen Universitätscampus erinnern. Nichts deutet darauf hin, dass sich hier die Zentrale einer der wichtigsten Filmfirmen der Welt befindet. Nur eine überraschend dezente Yoda-Statue auf einem Brunnen verrät, dass sich hier Lucasfilm befindet, die Blockbusterschmiede und Heimat von Star Wars und Indiana Jones.
Für Fans – und davon gibt es weltweit unzählige – ist bei Yoda Schluss. Weiter kommt man nicht, denn es herrscht strenge Geheimhaltung auf dem Gelände. Gut 1.000 Mitarbeiter sind hier in San Francisco beschäftigt mit der Arbeit an den Kinohits der Zukunft, darunter auch „Star Wars Episode 7“ (Mai 2015 im Kino). 43 Jahre ist Lucasfilm mittlerweile alt. 1971 gegründet von George Lucas, hat das Unternehmen die Erfolgsgeschichten der amerikanischen Filmindustrie entscheidend mitgeprägt. Entlang der Bürogänge und Treppenhäuser sind zahlreiche Erinnerungsstücke ausgestellt, die an diese Erfolge erinnern. Modellautos hängen aufgereiht an der Wand. Zwei schmutzig-weiße Stormtrooper bewachen die Passage. Und der heilige Gral – der Becher eines Zimmermanns – steht zusammen mit dem Kreuz von Corronado in einer Glasvitrine. American Graffiti, Star Wars, Indiana Jones, die Liste an Welterfolgen ist beachtlich. Dazu die zahlreichen Filme, für die das hauseigene Special Effects-Imperium Industrial Light & Magic (ILM) Auftragsarbeiten erledigt hat (Men in Black, Jurassic Park, Zurück in die Zukunft, Mission Impossible und Harry Potter, um nur eine Auswahl zu nennen), und es ist klar: an diesem Ort wird Filmgeschichte geschrieben.
Da ist es nur angemessen, dass Firmengründer George Lucas selbst ein großer Filmfan ist. Auf dem ganzen Gelände hängen an die zweitausend alte, meist ausländische Filmplakate aus den goldenen Zeiten Hollywoods. George hat die Plakate alle aus seiner eigenen Sammlung zur Verfügung gestellt, sagt die Dame der Presseabteilung, die über das Gelände führt. Überhaupt nennt ihn jeder hier George, wie einen Vater, einen Übervater, dessen Fantasie und geschäftsmäßiger Gewieftheit diese Firma entsprungen ist. Dabei gehört sie ihm mittlerweile nicht einmal mehr.
2012 verkaufte George Lucas sein Unternehmen an Disney. Der Megadeal der Unterhaltungsbranche ging Hand in Hand mit der Ankündigung, dass unter neuer Führung weitere Star Wars-Filme erscheinen sollen. Die Fanwelt ist seitdem in ekstatischer Vorfreude auf neue Jedi-Abenteuer. George Lucas legte damit sein Lebenswerk in die Hände anderer, die sich dem von ihm geschaffenen Universum äußerst verbunden und loyal gegenüber verhalten. Deren erster Streich ist die neue Anminationsserie „Star Wars Rebels“, die am 3. Oktober auf dem Fernsehsender Disney XD Premiere feiern wird.
An der ersten Star Wars Produktion unter Disneys Flagge wird konzentriert gearbeitet. Auch auf der Skywalker Ranch, die abgeschieden in den malerischen Hügeln von Marin County liegt. Zwischen Weinbergen und mit Blick auf einen See („Lake Ewok“) tüfteln hier die Spezialisten von „Skywalker Sound“ am perfekten Klang zu den Bildern, die in San Francisco am Computer erstellt werden. Untergebracht sind sie in einem im Stile einer italienischen Villa errichteten Gebäudekomplex, dessen Innenarchitektur sich wie ein Filmset von Gang zu Gang ändert. Zwischen dem dunkelbraunen Holz des Atriums, der verwucherten Gartenlaube und der Lounge eines Schweizer Chalets liegen jeweils nur wenige Schritte. Die Kreative Umgebung soll kreative Mitarbeiter inspirieren, so der Plan.
Nur einige hundert Meter entfernt liegt das Haupthaus, ein weißes Landhaus mit großer Auffahrt. George Lucas hatte dort früher sein Büro, heißt es, und nein, er ist im Moment leider nicht dort, und er kommt heute wohl auch nicht mehr. Wahrscheinlich darf es auch nur deswegen betreten werden, denn es wirkt wie das Allerheiligste dieser Lucas’schen Tempelanlage. Innen hat es den Charme eines Museums, alle Tische, Sofas, Bücherregale wirken ebenso unberührt wie die in einer Vitrine ausgestellten persönlichen Schätze des Firmengründers: Charlie Chaplins Hut und Spazierstock, eine signierte Plakette der Apollo-Crew, ein Laserschwert, das mit einer NASA-Shuttlemission ins All geflogen ist. Ein Gefühl von Unwirklichkeit schleicht sich ein. Alles hier ist perfekt und überlebensgroß, genauso, wie die Filme, die Lucas‘ gemacht hat. Nur ohne Millionenpublikum. Es ist ein Rückzugsort vor der realen Welt, um die größten Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen.
Noch bevor es im Mai nächsten Jahres mit Episode VII im Kino hoch hergeht, legt Lucasfilm im Oktober 2014 im Fernsehen vor. „Star Wars Rebels“ heißt eine neue Animationsserie, die für den Fernsehsender Disney XD produziert wird. Die Vorgeschichte der Rebellion gegen das Imperium wird erzählt, und die Spannung bei Lucasfilm und bei den Fans ist groß. Nah dran an der Original Trilogie wolle man sein, sagt Joel Aron, der FX Supervisor der Serie. „George wollte, dass wir uns vorstellen, wie die Serie auf der Kinoleinwand aussehen würde“, erzählt er, und verrät, dass sie sich bei den Designs der Fahrzeuge, Figuren und fremden Welten von der Arbeit Ralph McQuarries inspirieren lassen. McQuarrie war verantwortlich für große Teile des Looks der alten drei Star Wars Filme, er gilt als Vater von R2D2 und C-3PO. Um das spezielle Star Wars-Feeling auch auf eine Fernsehserie zu übertragen, nahm sich Aron schließlich sogar die Kameralinsen und Lichteinstellungen der Kinofilme von damals vor. Deren Eigenschaften übertrug er auf die computergenerierten Bilder von „Rebels“. Mit erstaunlichem Ergebnis, denn anders als die frühere Serie „Star Wars Clone Wars“ wirkt „Rebels“ kühler, roher und echter.
Einen Gang weiter wartet Animation Supervisor Keith Kellog. „Man man so will, ist die Serie tatsächlich etwas disneyfiziert“, gibt er zu. „Wir wollten sie nach Clone Wars wieder näher an die alte Trilogie heranbringen, indem wir sie deutlich charakter- und actionlastiger machen.“ Weniger Politik und Intrigen also, dazu das ganze Retrofeeling. „Wir sind schrecklich gespannt, was die Fans dazu sagen werden, ob unser Konzept ankommt, den Classic Trilogie Stil wiederzubeleben.“
Auch Killian Plunkett, der Art Director von „Rebels“, betont diese Verbindung. „Die McQuarrie Entwürfe, die uns inspiriert haben, sind fast 40 Jahre alt. Sie sind nicht eins zu eins von uns übernommen worden, aber wie haben unsere Designs in seine Bilder hineinkopiert, um zu sehen, ob sie zusammenpassen.“
Produzent Dave Filoni, der in einem leeren Büro mit Blick auf die Golden Gate Bridge zum Gespräch lädt, rückt seinen Cowboyhut zurecht. Er ist der Star Wars-Statthalter von George Lucas für die TV Produktionen, und er nimmt seinen Job sehr ernst. „Unser größter Feind bei Star Wars ist Nostalgie“, meint er, „denn wir müssen versuchen, neu und anders zu sein, um uns weiterzuentwickeln.“ Natürlich ohne den Geist der Vergangenheit abzuschütteln, beschwört auch er die Verbindung zur ersten Trilogie. „Aber wir brauchen moderne Charaktere“, erklärt er.